In Munzingen demonstriert ein Trainer, wie Kinder richtig einem Hund begegnen

Jedes Jahr sterben in Deutschland im Schnitt vier Menschen an einem Hundebiss. Das belegen die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Die Zahl der Verletzungen ist weitaus höher. Der Freiburger Hundetrainer Reinhold Göbel hat ein Programm für Kinder entwickelt, damit es so weit erst gar nicht kommt. Er fordert: Statt falscher Tierliebe bitte mehr Respekt!

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Lässig und doch vorsichtig sollen sich Kinder einem Hund nähern.
FOTO: DREHER

„Was macht ihr, wenn ihr einem fremden Hund begegnet?”, fragt Reinhold Göbel die Kinder des Katholischen Kindergartens St. Erentrudis. Neben ihm an der Leine sitzt Leon, ein belgischer Schäferhund, und kaut seelenruhig auf einem Stöckchen herum. Neun Finger schnellen in die Höhe. „Ich würde ihn streicheln”, antwortet einer der kleinen Knirpse.

Das hört Göbel, seit 24 Jahren Hundetrainer und Inhaber der Hundeschule Göbel in Freiburg, gar nicht gerne. Denn solch ein unbekümmertes Verhalten von Kindern kann zu gefährlichen Situationen führen. Wer möchte schon gerne von wildfremden Menschen angefasst werden?

„Auch Hunde haben Angst”, erklärt Göbel seinen jungen Zuhörern. Und wenn ein Hund Angst hat, dann wehrt er sich – schlimmstenfalls indem er zubeißt. „Eltern vermitteln häufig falsche Werte über Hunde, zum Beispiel, dass sie böse oder unhygienisch seien”, kritisiert Göbel. Andere wiederum sagten: Hunde sind brav, die kann man ruhig streicheln. „Keiner fragt: Was will eigentlich der Hund?”, sagt Göbel.

„Im Sinne des Hundes” tourt der erfahrene Hundetrainer deshalb seit Sommer 2006 durch Kindergärten und Schulen, um die Kleinen, aber auch die Erzieher und Erzieherinnen im Umgang mit fremden Hunden zu schulen. Immerhin gibt es in Deutschland rund 5,3 Millionen Hunde und einige aggressionshemmende Signale, die Kinder lernen können, um Gefahrensituationen zu entschärfen. Stehen bleiben und sich vom Hund wegdrehen beispielsweise. Etwas, das sich nicht bewegt, wird für einen Hund schnell uninteressant und er lässt davon ab. Eine Bedrohung ist dagegen das Fixieren mit den Augen. Für den erwachsenen Hund bedeutet dies: Bist du mir unterlegen oder ich dir? Eine Klärung der Machtverhältnisse, eine Kampfansage. Gerade Kindern fällt es schwer, Hunde nicht fasziniert anzustarren oder freudig auf sie loszulaufen. Zu interessant ist dieses Fellknäuel auf vier Pfoten.

Auf der anderen Seite geraten viele Kinder in Panik, wenn ein fremder Hund auf sie zukommt, reißen die Hände nach oben oder rennen weg, was ebenso gefährlich ist.

Mit einfachen Übungen will Göbel solchem Fehlverhalten entgegenwirken. Und so lernen die neun Kinder zwischen drei und sechs Jahren an diesem Vormittag, ruhig stehen zu bleiben, sobald sich Leon ihnen nähert – ganz egal, ob dieser bellt oder sie anstupst.

Konzentriert dabei

Einer nach dem anderen marschieren die Kleinen an dem fünfjährigen Schäferhund vorbei, manch einer traut sich nur an der Hand seiner Kindergärtnerin in die Nähe des imposanten Vierbeiners. Für Sinje Renkert, Erzieherin im Kindergarten St. Erentrudis, dennoch eine beachtliche Leistung: „Auch wenn die Jüngeren nebenher die Konzentration nicht halten konnten, waren sie, während sie die direkte Übung am Hund machten, völlig bei der Sache. „Die Erzieherin ist sich sicher, dass die Kinder „viel mitgenommen” haben.

Göbel meint: „Es ist in jedem Fall kein Schaden, Nichthundehalter zu schulen, auch weil der Hundehalter unweigerlich davon profitiert. „Denn oft würden Hunde nur deshalb gefährlich, weil die Halter zu wenig Wissen über ihre Kommunikationssignale und Verhaltensmuster hätten. „Wie sollen sie dann auf der Straße das Verhalten ihres Hundes richtig einschätzen können?” , fragt sich Göbel. Aussagen wie „Mein Hund tut nichts; der will nur spielen” seien schlichtweg unverantwortlich. Auch der kleinste Hund ist kein Spielzeug oder Teddybär, den man bedenkenlos knuddeln kann. Das ist falsch verstandene Tierliebe, die böse enden kann – für das Kind und für den Hund.

Katrin Dreher